Den Generalismus in der Humanmedizin stärken

Vernehmlassung der SGAIM und ICKS zum Thema «Spezialisierung und Spitalorganisation» Eine Themengruppe der Plattform «Zukunft ärztliche Bildung» hat sich im Auftrag von BAG und H+ mit der zunehmenden Spezialisierung in der Humanmedizin aus Sicht der Spitalorganisation beschäftigt. Auf Grundlage einer Studie hat die Themengruppe vier Empfehlungen erarbeitet, welche den medizinischen Fachgesellschaften nun zu einem Realitäts-Check vorgelegt wurden. Die SGAIM und die Vereinigung der internistischen Chef- und Kaderärzte (ICKS) hat sich eingehend mit dem Fragebogen befasst und eine umfangreiche, gemeinsame Stellungnahme verfasst. Die beiden Organisationen verlangen zudem, dass sie bei der Umsetzung der Empfehlungen einbezogen werden.

Autorin: Bernadette Häfliger Berger, Generalsekretärin SGAIM

 

Die SGAIM und die ICKS erachten die zunehmende Spezialisierung und die damit verbundene Fragmentierung in der Humanmedizin sowie die entsprechende Entwicklung in der Spitalorganisation als sehr grosses Problem. Sie begrüssen daher bei den nun vorgelegten Empfehlungen insbesondere das Bestreben, die Rolle der Generalist/-innen in den Spitälern zu stärken. Die Erkenntnis, dass nur ein/-e Generalist/-in die Fallführung und Koordination von multimorbid erkrankten Patient/-innen übernehmen kann, scheint offensichtlich. Es gilt diesbezüglich zu bemerken, dass das SwissDRG System generalistische Disziplinen benachteiligt, was im Bericht des BAG und von H+ nicht erwähnt wird.


Die vier Empfehlungen der Themengruppe (Kurzversion)

  1. Die Spitäler und Kliniken anerkennen die Notwendigkeit der Förderung von akademischen und klinischen Karrieren in generalistischen Fachgebieten.
  2. Die Spitäler schaffen und betreiben interdisziplinäre Organisationseinheiten mit definierten Abklärungs- und Behandlungspfaden und mit der Fallführung durch breit ausgebildete Generalisten verschiedener Fachgebiete.
  3. Die Rolle und möglichen Verantwortungen des «Spitalinternisten» sowie spezifische Anforderungsprofile sollen für die Schweiz analysiert und entwickelt werden. Damit soll die fachliche, finanzielle und akademische Anerkennung der Spitalinternist/-innen gewährleistet und diese Stellen attraktiv gestaltet werden. Diese Rolle muss auch die Lehre und in Universitätsspitälern die Forschung beinhalten.
  4. Ausgewählte spezialisierte und hochspezialisierte medizinische Leistungen sollen stärker konzentriert werden, mit dem Ziel, die Weiterbildungsstellen in Bereichen, wo es genügend Spezialisten gibt, zu limitieren.

Den vollständigen Text der Empfehlungen finden Sie hier ›

 

Akademische und klinische Karrieren von Generalist/-innen fördern

 

Die SGAIM und die ICKS unterstützen insbesondere die Empfehlung 1 und erachten die darin vorgeschlagenen Massnahmen als umsetzbar. Sie müssten jedoch rasch an die Hand genommen werden, wobei die SGAIM/ICKS aktuell am entsprechenden Willen der Spitalleitungen und medizinischen Fakultäten zweifeln. Beide Organisationen betonen, dass die Qualität der Weiterbildung eine entscheidende Rolle spielt, und diese durch die aktuelle Tendenz, bei den Weiterbildungsbemühungen zu sparen, zunehmend in Frage gestellt wird.

 

Rolle von Spitalinternist/-innen stärken

 

Als ebenso sinnvoll und nützlich erachten die SGAIM/ICKS die Empfehlung 3. Die Einführung einer Matrixorganisation, welche die Verantwortungsbereiche neu definieren würde, wäre ein möglicher Lösungsansatz, damit die Verantwortung für die Fallführung bei den Spitalinternist/-innen und nicht den Spezialist/-innen liegen würde. Dazu müssten die leitenden Stellen in der Allgemeinen Inneren Medizin aber auch mit genügenden finanziellen Ressourcen und entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein.


Die SGAIM fördert schon heute durch namhafte Forschungsbeiträge die akademische Entwicklung der Allgemeinen Inneren Medizin und erachtet es als zentral, dass die Allgemeine Innere Medizin in der Lehre und Akademie gestärkt wird und im Medizinstudium vermehrt auch Inhalte dieses Fachs vermittelt werden. Das bedingt, dass häufiger Allgemeininternist/-innen in der Lehre eingesetzt werden.


Allgemeininternistische Bettenstationen contra interdisziplinäre Organzentren

 

Die Empfehlung 2 wird von der SGAIM/ICKS abgelehnt, da sich viele Patient/-innen nicht auf ein einzelnes Organsystem reduzieren lassen und eine derart ausgerichtete Spitalorganisation die Allgemeine Innere Medizin schwächt. Die SGAIM/ICKS schlagen vielmehr die Umkehr der Logik vor und propagieren die Schaffung eigenständiger allgemeininternistischer Bettenstationen, auf denen die Allgemeininternist/-innen die Fallführung innehaben und im Bedarfsfall einzelne Spezialist/-innen beiziehen können.

 

Die Empfehlungen von BAG und H+ unterstützen also insgesamt die langjährigen Bemühungen der SGAIM/ICKS, den Generalisme in der Humanmedizin zu fördern und wieder zu stärken sowie die Attraktivität des Berufsbildes der Spitalinternist/-in zu verbessern. Im Rahmen des Nachwuchsförderungsprojekts SGAIM werden viele der aufgeführten Massnahmen konkretisiert und forciert. Die SGAIM ist aber bei der konkreten Umsetzung auf die Unterstützung des Bundes, von H+ und Universitäten angewiesen. Insofern erachtet die SGAIM es als Lichtblick, dass mit den Empfehlungen der Themengruppe zentrale Anliegen der SGAIM/ICKS aufgegriffen werden. Die SGAIM/ICKS verlangen, dass sie bei der Umsetzung stark einbezogen werden.


Die vollständige Stellungnahme der SGAIM und ICKS kann hier heruntergeladen werden ›


Berichte zur zunehmende Spezialisierung in der Humanmedizin aus Sicht der Spitalorganisation (Website BAG) ›